Das Jahr 2009 wurde von den Vereinten Nationen zum Internationalen Jahr der Astronomie erklärt. (Das Astronomiejahr referenziert den erstmaligen astronomischen Gebrauch eines Teleskops für astronomische Beobachtungen durch Galileo Galilei und Johannes Keplers erste geometrische Beschreibung des Sonnensystems in seiner "Astronomia nova" vor 400 Jahren.) 2009 gilt außerdem als Darwin-Jahr, weil der Evolutionsbiologe vor 200 Jahren geboren wurde und weil vor 150 Jahren sein Hauptwerk "Über die Entstehung der Arten" erschien. Für die Unesco ist 2009 das Jahr des Gorillas. Weiters jährt sich 2009 das Ereignis der ersten Mondlandung (20. Juli 1969) zum 40. Mal, gleiches gilt für das Festival Woodstock; das Haydn-Jahr 2009 beruft sich auf den 200. Todestag des Komponisten, und in der Steiermark gedenkt man 2009 des 150. Todestages von Erzherzog Johann. Für den gesamten deutschsprachigen Raum wurde die Gemeine Blutzikade zum Insekt des Jahres proklamiert; ornitologisch wiederum ist 2009 das Jahr des Eisvogels. 2009 ist das Europäische Jahr der Kreativität und Innovation und das Internationale Jahr der Naturfasern. Am 20. Februar vor 100 Jahren veröffentlichte Filippo Tommaso Marinetti das Futuristische Manifest, und eigentlich könnte auch der Erfindung des World Wide Web durch Tim Berners-Lee vor 20 Jahren gedacht werden.

Ursprünglich war es die Idee, das – infolge ausgesetzter Bundesmittel – ohnehin Rudiment gebliebene Liquid-Music-Programm 2008, Astronomie Domain, im Jahr der Astronomie weiter zu entwickeln. Mehr als der Reiz des Naheliegenden wog zuletzt aber die Überlegung, dass die Inflation des Gedenkens und der Proklamationen in diesem Jahr das künstlerische Engagement doch eher entwerten würde.

Dieses Engagement bildet nun gewissermaßen das Leitmotiv des diesjährigen Programms. Denn 2009 gehen KünstlerInnen weiterhin ihrer Arbeit nach und arbeiten so am Projekt Kunst. Und dieser Umstand gehört in Jahren und Zeiten wie diesen durchaus auch in die Kategorie des Nicht-Selbstverständlichen. Liquid Music würdigt diesen Umstand – nach Maßgabe der Mittel – mit dem Titel und dem Programm von 2009.

Das diesjährige Liquid-Music-Programm heißt "2009".

In den vergangenen Jahren stellte Judenburg durch das Projekt Liquid Music in der steirischen Provinz die einzige Möglichkeit für KünstlerInnen dar, auf der Grundlage eines kleineren Produktionsbudgets im medienkünstlerischen Bereich kleinere Experimente und Arbeiten zu entwickeln. "Im Gegenzug" sollte in den künstlerischen Entwicklungen die Stadt eine Art Erfahrunghintergrund bilden. 2009 ist Liquid Music, was es bislang nie war, Bühne für Exzerpte aus aktuellen Konzeptions- und Produktionsprozessen. Auf dem momentanen Stand der Überlegungen gilt der Focus dabei zum zweiten Mal seit dem Bestehen von Liquid Music den konzertanten Formen der Medienkunst – Medienmusik.

Erarbeitet und/oder präsentiert werden sollen – nach Maßgabe der Mittel – Beiträge, die einerseits das aktuelle Interesse der KünstlerInnen repräsentieren, also zeigen, was sie gerade "am Laufen haben", andererseits – und das ist lediglich eine Option – Projekte, die unter Bezugnahme auf die Jubiläen und/oder deren ev. Gemeinsames Judenburg in gewohnter Weise referenzieren. Die Vorträge betreffen Kunstpraxen und kunst- und kulturpolitische Aspekte.

Heimo Ranzenbacher, Dezember 2008

 

Medienmusik

Warum erscheint Medienkunst so anders als man es von Kunst gewohnt ist? Kurz: Weil Medienkunst in Form bringt, was die Dinge miteinander verbindet, während traditionelle Kunst ein Ding formt, das auf eine Verbindung verweist. "Medium" meint ein Dazwischen.

Traditionelle Kunst setzt sich einem wie eine Überzeugung davon, was es mit den Dingen, den Themen der Werke, auf sich hat, entgegen: Hier das Werk, da der Rezipient. Die Deutung der Dinge realisiert sich als zumeist emotional einsichtige Sache: als Bild, als Skulptur, als Musikstück, wovon man sich mehr oder weniger überzeugen lässt.

Als Medienkunst setzt sich Kunst gleichsam zwischen die Dinge und nimmt als deren Zusammenhang Gestalt an. Sie setzt sich in Beziehung — zu den Rezipienten, zu den Dingen; sie realisiert nicht, sie prozessiert Wirklichkeit als ein Wirkungsgefüge. Und Zusammenhänge entbehren nun einmal der beschränkten Neigung, sich eher in Form eines Bildes, einer Skulptur oder von Musik zu manifestieren. So entgrenzt sich der Modus der traditionellen Form (in) der Kunst, und anders als der traditionelle Gestalter agiert der Medienkünstler eher als Mediator.

Dieser aus der Organisation des Verhaltens der Dinge erklärte Unterschied liegt ansatzweise auch der Medienmusik als Erklärungsmodell für Operationen mit einem nicht nur klanglich charakterisierten Dazwischen zugrunde.

Das gängigste Erkennungsmerkmal von Musik ist das akustische Spektrum mehr oder weniger bekannter Instrumente (Geige, Gitarre, Flöte, Stimme...) und die tonale Beziehung, in der sie zueinander stehen. Medienmusik nimmt sich hingegen der im besten Sinne fragwürdigen Aspekte an: woher die Klänge ihr Verhalten beziehen und in welchem Verhältnis sie zu einer Quelle, deren Bedeutung und Verhalten stehen, wenn diese nicht durch das Spiel gängiger Instrumente bestimmt ist. Ihrer Natur gehören immer auch Maschinen und Programme an, die Klang gemäß einer Verbindung mit einem Gegenstand von willkürlichem Interesses erzeugen — sei's die Maschine selbst, sei's ein Bild, sei's eine Situation, eine Frequenz... Für "2009" wird daher auf  Konzepte Wert gelegt, in denen “Dinge” zueinander in Beziehung treten und so unterschiedliche Ansätze zu dieser Idee von gestaltend-gestalteten Zusammenhängen skizzieren.

Da nichts — und die Kunst schon gar nicht — für sich selbst spricht, machen wir auch heuer wieder Vermittlungsangebote in Theorie und Praxis:  Durch einen Round-Table mit Frühstück, durch Kurzvorträge von Künstler-TheroretikerInnen und die Einladung, mit ihnen ins Gespräch zu kommen.